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Mein Arktis-Abenteuer (4/4): Schnorcheln mit Belugawalen!

So viele Eindrücke! Nach meiner Begegnung mit der Eisbärenfamilie in “Die Eisenbärin und die Knochenstätte” bin ich abends hundemüde. Bevor ich im Naujat Hotel in Repulse Bay die Decke über den Kopf ziehe, denke ich noch kurz an den Begriff, den ich zum ersten Mal bei den kanadischen Rafting-Guides gehört habe. “Scenic Overdose Syndrome”, kurz SOS, nennen sie diese Anfälle, bei denen ihre Gäste plötzlich Kameras Kameras sein lassen und Gottes Wunderwerke in ermatteter Resignation an sich vorüber ziehen lassen. Das muss es sein. Zu viele Superlative. Ich schlafe so gut wie lange nicht mehr.

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Vor dem Bad in der eiskalten Hudson Bay: Ein Moment, der einfach festgehalten werden musste .. :) PS: Der Autor ist schon etwas bereiter.

Sind die Eisbären von Repulse Bay also noch zu toppen? Gibt es in Kanadas Norden noch etwas, was diesem SOS-infizierten Reiseschreiber noch einmal ein inbrünstiges WOW entreißen könnte? Verdrossen klemme ich mich im Büro von Sea North Tour in einen 7 mm dicken, hierzulande Wetsuit genannten Neoprenanzug. Das schwarze Gummizeug und ich, soviel steht nämlich schon nach ein paar Sekunden fest, werden keine Freunde. Und die Aussicht, dass die 4 Grad kalte Hudson Bay durch die Halskrause hineinfließen und, so wird mir versichert, zwischen Haut und Gummi eine „wohlige Wärmeschicht“ erzeugen wird, will mich auch nicht so recht aufbauen. Als ich nach den obligatorischen “Daumen-hoch”-Bildern endlich mit den anderen im Schlauchboot sitze, hat der mürrische Ostwestfale in mir die Oberhand gewonnen ..

Churchill, Manitoba: End of the line

Nach Repulse Bay ist Churchill die zweite und letzte Station meines Arktis-Abenteuers. Die 1000-Seelen-Siedlung liegt am Südrand der Hudson Bay, im Übergangsgebiet von borealem Nadelwald und arktischer Tundra. Straßen hierher gibt es nicht, die einzigen Verbindungen nach dem 1700 km entfernten Winnipeg sind Zug und Flugzeug. Churchill ist ein bisschen urbaner als Repulse, im Endeffekt aber ebenso nüchtern und funktional wie alle Frontier-Orte hier oben. Man begann als Pelzhandelsposten, überstand das 20. Jahrhundert als Getreidehafen und hofft jetzt, denn dauerhaft überleben ist hier nicht ganz einfach, auf eine neue Ära als Drehscheibe für Öl und Naturgas aus dem Süden. Konfrontationen zwischen Umweltschützern, Erdölfirmen und Regierung sind vorprogrammiert.

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Alles klar? Da hinten kommen sie!

Eisbären und Belugawale: Zwei Asse im Ärmel

Dieser Tage wächst nur der Ökotourismus, den Eisbären sei Dank. Hier warten sie bis zum Herbst darauf, dass die Bay zufriert und sie auf Robbenjagd gehen können. Churchill gilt inzwischen als “polar bear capital of the world”: Nirgend sonst ist es für Otto Normalverbraucher leichter, Eisbären in freier Wildbahn zu beobachten. Für uns sind sie jedoch – wie blasiert klingt das denn? – heute nur Rahmenprogramm. Denn Churchill bietet noch eine grandiose Tierart zum Beobachten: Belugawale, und zwar in den Flussmündungen von Churchill, Seal und anderen in die Bay mündenden Flüssen. 3000 der rund 25 000 Belugas der Hudson Bay kalben dort im Sommer und fressen sich das Fett für den nächsten Winter an. Und wie beobachtet man Belugawale am besten? Ganz einfach: Indem man zu ihnen ins Wasser steigt ..

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Eine Beluga-Familie zieht dicht an unserem Boot vorbei Richtung Hudson Bay. Ein unbeschreibliches Gefühl!

Schnorcheln mit Belugawalen: Mit Geduld und GoPro

Kaum dreht unser Schlauchboot in den Churchill River, ist der Ostwestfale in mir vergessen. Überall weiße Rücken, überall schnaufend ausgestoßene Atemfontänen und aufsteigende Luftblasen! Wow! WOW! Ein paar Belugas scheinen sich besonders für den Außenbordmotor zu interessieren. So nahe kommen sie heran, dass wir ihnen fast die hohe Stirn streicheln können. Zunächst tuckern wir hinaus in die Bay, dort ist das Wasser klarer und ergo die Sicht unter Wasser besser. Die GoPro im Anschlag, lasse ich mich über die Bordwand ins Wasser – und werde sofort von der Strömung des Churchill River unter dem Bug hindurch bayauswärts getragen. Toll, wie mein Wetsuit mich trägt! Nach dem ersten Schrecken – es stimmt, anfangs ist das Wasser im Wetsuit nicht so sahnig, und mein Gesicht wird gefühllos – stoße ich die ersten Mundvoll Hudson Bay durch den Schnorchel aus. Die Sicht ist klasse, doch die Belugas haben sich verdünnisiert. Eine Weile treiben wir noch durch die Bay, dann liest uns das Schlauchboot wieder auf.

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Euphorie pur: Einen bis zu vier Meter langen weißen Wal unter sich hindurch tauchen zu sehen, gehört zu den Sternstunden im Leben!

Wassermusik: Musikalische Belugas

Wir beschließen, es flussaufwärts im Churchill River zu versuchen. Dort ist das Wasser stark sedimenthaltig und die Sicht trübe, doch es wimmelt vor Belugas. Wieder ´rein ins Wasser, und nun höre ich sie auch: Um mich herum gurgelt und rauscht es, doch dann mischen sich plötzlich andere Töne in die Wassermusik. Es pfeift und knistert und zirpt und krakeelt in spitzen Tönen, dann pfeift es wieder, dieses Mal wie ein Wasserkessel. Ein paar Sekunden später mache ich weiße Schemen im grünen Wasser aus. Ich scheine sie zu interessieren. Immer mehr tauchen auf, das Fiepen und Knarzen schwillt zu einem offenbar intensiven Gedankenaustausch an, und dann sehe ich sie ganz deutlich. Ein paar Belugas schwimmen dicht neben mir her, die Augen aufmerksam auf mich gerichtet. Andere gleiten in Rückenlage unter mir hindurch und spendieren mir dabei das delfinige Permalächeln. Einer wird richtig anhänglich. Eine köstliche Weile spielt er Eskorte, und ich bemühe mich um ein Gespräch mit ihm: Uuuh, mmmmnngggrrr, uuuaaarrrgghh, so gut die Lautbildung eben durch den Schnorchel funktioniert. Doch wir haben ein Verständigungsproblem. Nach ein paar Sätzen bricht er das Meeting ab und verschwindet mit ein paar kräftigen Schlägen seiner Schwanzflosse im grünen Nichts ..

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Lauter glückliche Gesichter: Von unserer Begegnung mit den Belugawalen haben wir noch lange gezehrt!

Seit ich als kleiner Junge im Fernsehen Flipper sah, wollte ich zu großen Meeressäugern ins Wasser steigen. Dass es in der Hudson Bay sein würde und nicht in Florida, hätte ich nie gedacht. Fazit: Das Schnorcheln mit den weißen Walen war toll, super und unvergesslich und die lange Anreise absolut wert. Und es war eine demütig machende, im Herzen bleibende Erfahrung. Wie schön Mutter Natur ist. Und wie einzigartig und unwiderruflich ..

 

Weitere Infos über meine Reise zu den Eisbären und Belugas in Kanadas Norden findet Ihr hier:

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