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Coole Balades à Vélo: Mit dem Fahrrad durch Montréal!

Montreal gilt laut Copenhagen Index als eine der radfreundlichsten Städte Nordamerikas. Der aus dem westfälischen Radler-Paradies Münster stammende Wahl-Montréaler Ole Helmhausen witterte Majestätsbeleidigung und machte die Probe aufs Exempel. Der Artikel erschien übrigens zuerst in EBike von Martin Häußermann!

Rue Calixa-Lavallée im Parc de la Fontaine

Von der Leeze in Münster ..

Im guten alten Münster war es ja damals so: Panta rhei – alles fließt. Allem voran der Radverkehr. Jeder hatte wenigstens ein Fahrrad. Damit fuhr man täglich und das ganze Jahr überall hin. Zur Schule, zur Uni, zum Einkaufen und zum Nacktbaden an den KÜ, den alten Kanalübergang in Münster-Gelmer. Münster hatte sogar einen eigenen Namen fürs Fahrrad. Ein Fahrrad war „ne Leeze“. Mehrere hundert Kilometer schöne Radwege, Ständer vor jedem Geschäft und jedes Wochenende Radtouren aufs Land: Leezen waren unverzichtbare Transportmittel und gehörten zu Münster wie das Altbier bei Pinkus Müller. Zeitweise war es sogar so, dass Studenten auf Heimaturlaub am Bahnhof nur unverschlossene alte Krücken parkten. Wenn die gestohlen wurden, krähte kein Hahn danach. Man nahm sich dann einfach ein anderes. Die „Sonderkommission Speiche“ der Polizei pflegte angesichts dieser Version des stillen Handels beide Augen zuzudrücken. Es war ja ohnehin nichts zu machen.

Stade Olympique

.. zum Vélo Hybride 2.0 in Montréal!

Anfang der 1990er Jahre zog ich dann ins kanadische Montréal. Natürlich gehörte zu meinen ersten Amtshandlungen der Kauf eines Fahrrads. In Münster hatte ich immer Citybikes und Hollandräder gehabt. Also hohe Lenker, Ständer, robuste Gepäckträger, lange Kotflügel und breite Sättel. In Montréal gab es das alles nicht. Hier war Radfahren allerhöchstens Ausgleichssport nach Feierabend, betrieben in schickem Radsportoutfit und auf teuren Mountainbikes. Ich musste mir meine von Münster her gewohnte Leeze zusammenkaufen – den Lenker hier, Ständer und Kotflügel dort, und Sattel, Licht und Gepäckträger noch woanders – und überforderte mit meinen Extrawünschen so manchen Verkäufer. Und weil Radfahren damals ein Fitnessding war und kein Transportmittel, gab es auch so gut wie keine Radwege. In meiner Straße war ich der einzige, der mit dem Rad zum Einkaufen fuhr. Oft, und da ich übertreibe ich nicht, unter Lebensgefahr, ganz einfach weil Montréaler Autofahrer im Verkehrsalltag noch nie wirklich mit Radfahrern tun gehabt hatten. Kurz und gut, so habe ich auf französisch zuerst fluchen gelernt.

Ruelle Modigliani auf dem Plateau Montréal

Ruelle Modigliani auf dem Plateau Montréal

Fast 30 Jahre später ist alles vergeben und vergessen. Ich radle nicht länger als einziger in meiner Straße zum Einkaufen (einzigartig bin ich nur noch als Besitzer eines Handrasenmähers und eines Holzkohlegrills). Vor den Geschäften parke ich in schöne Radfahrständer ein, und in den Radgeschäften bekomme ich, was ich suche. Was für eine Metamorphose! Ende 2020 hat Montréal mindestens (die Zahlen widersprechen sich etwas) 780 Kilometer Radwege. Davon sind gut 350 Kilometer physisch von der Straße getrennt. Ich kann deshalb bequem von einer Seite der Stadt zur anderen radeln und dabei viele Sehenswürdigkeiten besuchen, ohne jemals im Verkehr fahren zu müssen. Und seit 2009 gibt es mit BIXI ein öffentliches Fahrradverleihsystem mit 7500 Fahrrädern und 611 über das Stadtgebiet verteilten Stationen.

Radverleihstation gibt es überall in Montréal!

Montréal: Meine liebsten Radwege

Ob ich ein paar schöne Radwege für euch parat habe? Und ob! Hier sind meine drei Favoriten:
Plateau Mont-Royal: Definitiv eines der schönsten Viertel der Stadt! Lange rotzieglige Häuserzeilen aus der Nachkriegszeit mit fotogenen, an New Orleans erinnernde geschwungenen Außentreppen. Tante-Emma-Läden, Bäckereien und echtes Nachbarschaftsfeeling. Am liebsten verliere ich mich in den knuddeligen „ruelles vertes“. Montréal hat über 400 von diesen engen Gassen, die damals hinter den Häuserzeilen für die Müllabfuhr angelegt wurden und heute von den Anwohnern mit viel Kreativität in Nachbarschaftstreffs und grüne Zonen umfunktioniert werden. Die schönsten sind hier auf dem Plateau, allen voran die Ruelle Modigliani zwischen Rue Gilford und Rue de Brébeuf mit ihrer den Künstler ehrenden Graffitti, und die vor allem im Herbst schöne Ruelle Verte Cartier-Chabot zwischen Avenue Laurier und Rue Masson mit ihren wunderbaren alten Bäumen.

Rue du Square St-Louis

Piste du Canal-de-Lachie/Lachine Canal Bike Path: Dieser schöne Radweg beginnt im Vieux-Port von Alt-Montréal und begleitet den historischen Lachine-Kanal 15 Kilometer bis zum Marché-Atwater/Atwater Market mit seinen tollen Gourmet-Take-Outs und Coffeeshops. Unterwegs gibt´s tolle Blicke auf die moderne Skyline von Downtown Montréal. Wer Lust hat, kann danach noch bis zum Ende des Kanals bis zum Parc René-Lévesque in Lachine durchfahren. Hier gibt´s nicht nur schöne Blicke auf den Strom, sondern auch ein Museum zum Pelzhandel und eine nette Pizzeria.

Unterwegs im Parc Maisonneuve

Parc Jean-Drapeau: Die Anfahrt zu diesem herrlichen Park auf der Ile-Ste-Hélène ist fast noch besser. Es gibt zwei Möglicheiten: entweder auf schmalem Radweg über die hohe Jacques-Cartier Brücke (mein Favorit wegen der tollen Aussicht auf die Stadt) oder aber auf der Concorde-Brücke. Erst einmal im Park, gibt es ein halbes Dutzend weiterer fantastische Blicke auf die Skyline – vor allem nachts ein echtes Spektakel! Und wenn mal schon einmal hier ist und sein E-Bike endlich mal ausfahren will: Zwei Brücken verbinden die Helene-Inseln mit der benachbarten Ile Notre-Dame. Hier wartet die knapp 5000 m lange Formel-I-Rennstrecke Circuit Gilles-Villeneuve ..

 

Mehr zu Radtouren in Montréal hier

 

 

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