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Kanada: Zu Fuß von Küste zu Küste zu Küste

Zum 150. Geburtstag hat Kanada sich den längsten Weg der Welt geschenkt. Der Great Trail verbindet St. John´s am Atlantik mit Tuktoyaktuk am Eismeer und Victoria am Pazifik.

Vor 20 Jahren habe ich Nanowolf kennengelernt. Nanowolf war seit zwei Monaten auf dem Appalachian Trail unterwegs. Er wanderte in Gummistiefeln, trug statt einer Hose ein langes Flanellhemd und dazu einen leichten Rucksack. Sonst nichts. Als wir uns in Neuengland begegneten, hatte er seit Georgia gut 3000 Kilometer in den Beinen. Nanowolf war sein Trailname. Ich war zu beeindruckt, um nach seinem richtigen Namen zu fragen.

Ich muss an diesen zotteligen Yeti denken, als ich zum ersten Mal meinen Fuß auf Kanadas neuen Fernwanderweg, den Great Trail, setze. Der auch als Trans Canada Trail bekannte Weg ist mit sagenhaften 24 000 Kilometern der bei weitem längste Fußweg der Welt. Würde man ihn in 30 km lange Tagesmärsche zerlegen, wäre man locker 2 Jahre plus unterwegs. Leider habe ich diese Zeit nicht, und deshalb bin ich weder am Start noch am Ziel, sondern zehn Minuten ausserhalb von Whitehorse (Yukon) im Miles Canyon unterwegs. Dem Hochgefühl, einen Weg unter den Füßen zu haben, auf dem ich theoretisch kreuz und quer durch das zweitgrößte Land der Welt laufen könnte, tut das keinen Abbruch. “Bei uns beginnt die Wildnis gleich hinter der Stadtgrenze”, sagt Teena Dickson, ”deshalb heißt Whitehorse auch ´Wilderness City´.” Teena ist Tourguide, Yukoner in dritter Generation und will mir die Geisterstadt Canyon City zeigen. Ihre Familiengeschichte ist mit dem Yukon so untrennbar verwoben wie der Great Trail mit Kanada. Während dieser bereits bestehende Multi-Use-Trails miteinander verbindet, sind Teenas Vorfahren immer dabei gewesen, wenn Yukon-Geschichte geschrieben wurde.

Und los geht´s!

Hiking Yukon: Geschichte war erst gestern

Teena geht jetzt vor. Der Great Trail, schmal und holperig, folgt der Kante des Miles Canyon. Senkrecht unter uns fließt der tiefblaue Yukon River nach Whitehorse, Dawson City und schließlich zum Eismeer. Schön zu wissen. “Die Yukon-Dicksons fingen mit Thomas Dickson an”, keucht Teena über die Schulter, während wir einen steilen Felsrücken hinauf kraxeln. Ich kicke ein paar lose Steinchen in den Yukon und jage damit ungewollt einen Otter in die Flucht. “Thomas kam 1898 während des Klondike-Goldrausch als Mountie unter dem Kommando des legendären Sam Steele in den Yukon, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.” Zwei Jahre später verliebte er sich in eine Tagish-Frau namens Louise und hatte 13 Kinder mit ihr. Louise´s Onkel war kein geringerer als jener Skookum Jim Mason, der mit seinem Goldfund den Klondike Goldrausch auslöste. Wir passieren einen frischen Bärenhaufen und Bäume mit tiefen Kratzspuren. Ich bin dankbar für meine Begleitung. Deren Familiensaga wird immer spannender. “Old Tom wurde Skookum Jims Leibwächter und bewachte sein Gold.” Später sattelte er auf Jagdführer um und zog auf Packpferden mit wohlhabende Kunden monatelang durch die Wildnis am Kluane Lake. Teena schmunzelt. Sie hätten, sagt sie, daheim im Wohnzimmer ein Foto von ihm, wie er gerade aus dem Busch kommt und mit offenem Mund am Rand des gerade gebaute Alaska Highway steht: “Du kannst die Verwirrung in seinen Augen sehen. Er hatte nicht im Traum damit gerechnet, jemals Jeeps und Panzer im Yukon zu sehen!” Von Canyon City sind nur noch ein paar Glasscherben und vor sich hin rottende Baumaterialien zu sehen. Früher – und “früher” ist im Yukon fast immer der Klondike-Goldrausch – zogen die Stampeder genannten Goldsucher hier ihre Flöße an Land, um Hab und Gut um die tückischen Whitehorse Rapids herumzuschleppen. Inzwischen sind die Stromschnellen Geschichte, des Wasserkraftwerks wegen. Die Stelle an der Biegung des Yukon hat dennoch etwas magisches. “Manchmal höre ich sie noch, die Stimmen der Stampeder ..”, sagte Teena leise. Ich auch.

Gruppenbild mit Dame und River, v. r.n.l.: Marco Buch von Life is a Trip, Teena Dickson & moi

Ein paar Sekunden Auszeit: Wieviele Abenteurer hier schon gestanden und angesichts der Stromschnellen den Beschluss, ihr Glück am Klondike zu versuchen, verflucht haben ..

Hoch zu Ross: Mitten im Nirgendwo, wie schön

Der Great Trail ist für Wanderer, Radfahrer, Skilangläufer und Schneemobilpiloten ausgewiesen. Und für Reiter. Eine Autostunde nördlich von Whitehorse besuche ich Armin Johnson. Der junge Guide und Outfitter sattelt Chip für mich, und bereits fünf Minuten später sind wir im hierzulande vielzitierten “Middle of Nowhere”. Zunächst reiten wir auf einem tunnelähnlichen, von dichtem Wald zugemauerten Trail, der eine Holzabfuhrstraße sein könnte, wäre er nicht zu schmal dafür, dann geht es auf einem kaum erkennbaren Pfad durch dichtes Unterholz bergauf und bergab. Chip schrammt an Bäumen und Büschen vorbei, ich weiche den Ästen aus wie ein Schattenboxer. Auf einer Anhöhe öffnet sich der Blick. Nichts als bewaldete Hügel, ein See liegt dazwischen, dann wieder Hügel auf Hügel, als gäbe es nur diese eine Landschaft auf dem Planeten. So fühlt sich die Mitte des Nirgendwo an.

Armin und Lego haben keinen Adler erspäht, sondern verfolgen fasziniert Markos Drohne .. :)

Glücklicherweise wussten die Pferde, was sie taten ..

Wäre ich am liebsten quer durch Kanada gewandert und geritten? Und ob. Ein paar Leutchen sollen es schon geschafft haben.

“Willkommen auf dem Dawson Overland Trail”, lächelt Armin und steigt ab. Heute Teil des Great Trail, war der Dawson Overland Trail einst ein Teilstück der ersten, 1902 für Postkutschen durch den Busch getriebenen Winterstraße von Whitehorse nach Dawson City. Doch das ist längst nicht alles. “Es gibt im Yukon so viele kaum oder gar nicht erzählte Geschichten”, sagt Armin, während er den Staub aus Chips Flanken klatscht. Als Sproß weißer Yukoner und Ureinwohner kennt er die meisten. Wie die von John Dalton, der während des Goldrausch tausende Rinder von Haines (Alaska) über den Haines Pass zu den hungrigen Goldsuchern in Dawson City trieb und dafür auch den damals nur als Indianerpfad bestehenden Overland Trail benutzte. “Andere versuchten es von Alberta aus, aber ihre Herden blieben in den sumpfigen Tundraböden stecken und mussten erschossen werden.” Auf dem Weg zurück zu Armins Ranch am Klondike Highway passieren wir ein Schild mit der Aufschrift “Trans Canada” und einem Pfeil nach Norden. Wie lange bräuchte man zu Fuß nach Tuktoyaktuk? Legte man die 30-Kilometer-pro-Tag-Rechnung zugrunde, etwas mehr als sechs Wochen ..

 

 

Hier erfahrt Ihr mehr über den Great Trail bzw. Trans Canada Trail

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