Was lohnt sich? Wie weit ist es? Schaffen wir das in soundsoviel Tagen? Hier sind die Antworten auf sieben Fragen, die jeder Kanadareisende stellt!
Inhaltsverzeichnis
1. Was lohnt sich?
Die Gretchenfrage! Schließlich sind dies die wichtigsten 14 oder mehr Tage des Jahres und die Reise ist ja auch nicht ganz billig! Es gibt eine kurze und eine lange Antwort. Die kurze: Es gibt mindestens 294 Antworten darauf. Die lange: Selbst in diesem Blog ist kein PLatz für die lange, weil jeder etwas anderes antworten würde. Bevor man sich also mit dieser “Was lohnt sich”-Frage in die Kanadaforen stürzt, sollte man erst einmal in sich gehen. Was will ich eigentlich in Kanada unternehmen, und was nicht? Reicht mir der Spaziergang vom Parkplatz zum Peyto Lake Lookout für das Wildnisfeeling – was völlig o.k. ist – oder kann ich auch Wildnis pur, bzw. meinen Rucksack tage- oder wochenlang durch menschenleeres Backcountry schleppen? Usw. usf. Merke: Je konkreter die Fragen an die Communities sind, desto konstruktiver die Antworten!
2. Ja, was ist denn nun die beste Reisezeit?!
Dass Kanada ein “kaltes” Reiseziel ist, ist ein Mythos. Seit ich über Kanada schreibe, versucht die Kanadawerbung tapfer, ihn zu zerlegen. Mit mäßigem Erfolg. Fakt ist: Die Sommer sind warm bis heiß, die Winter kühl bis eiskalt. Für regionale Klimata – derer sind selbstredend viele in diesem Riesenland – studiere man die einschlägigen Reiseseiten on- und offline und lasse outfitmäßig den gesunden Menschenverstand walten. Und denke gern auch einmal “out of the box”. Ich selbst habe letztes Jahr den März als gute Zeit für Roadtrips in den Rockies entdeckt. Leere Straßen, selbst auf dem Icefields Parkway war nichts los, entspanntes Personal in Kneipen und Geschäften, weil die stressige Wintersaison dem Ende zugeht, und tolle Preisnachlässe überall. Hier mehr zum Reisemonat März .
3. Wie, Reiseapps ?!
Auch wenn ich mich damit endgültig als Babyboomer oute: Einmal im Reisegebiet angelangt, frage ich lieber herum, als Reiseapps, die laut GEO meinen “Urlaub bereichern”, zu vertrauen. Letzten Herbst in Jasper (Alberta) beispielsweise fragte ich Einheimische, wo im Park man am besten Tiere sehen könne. Eine Antwort überraschte mich ganz besonders. Vergiss den Nationalpark, sagte die Dame. Fahr stattdessen aus dem Park hinaus nach Hinton und von dort ein paar Kilometer nach Süden. Auf dem Gelände einer Kohleabbaufirma kannst Du jeden Abend Tiere sehen, auch Grizzlybären. Die Tiere hätten spitzgekriegt, dass man dort nicht jagen dürfe. Nun benutzten sie das übersichtliche Gelände als “safe haven”. Also bin ich hin, und tatsächlich: An einem Berghang gleich neben der Piste standen über 100 Wapitis! Und gleich hinter der Reviergrenze versuchte ein junger Jäger vergebens, einen ganz besonderen Bock mit Röhren aus einer Plastiktube auf “crown land” zu locken. Wir kamen ins Gespräch, ich lernte viel über die Jagd hier draußen und bekam obendrein noch mehr super Tipps für die nächsten Tage. Weitere tolle “Infobörsen”: die Friseursalons und Barbiere in Käffern wie Quesnel und Lilloet. Die örtlichen Figaros kennen Hinz und Kunz, man kriegt ein Gefühl für die Gegend und mit Sicherheit weitere gute Tipps!
4. Wie weit ist es denn nun wirklich?
Kanada ist das zweitgrößte Land der Welt, mit anderen Worten: Deutschland würde 30 mal hinein passen. Das bedeutet, dass man die Niagarafälle und die Rocky Mountains nicht an einem Tag – und auch nicht einer Woche – besuchen kann. Natürlich gibt es Leute, die das versuchen. Ich habe mal ein paar junge Niederländer getroffen, die in einer Woche von Toronto nach Winnipeg und zurückgefahren waren und bei der Mietwagenrückgabe die Nase immer noch nicht voll hatten. Wer es also geil findet, Kilometer zu machen und im Auto zu schlafen, bitteschön. Habe ich auch früher gemacht, und wenn man gerade 20 geworden ist, ist man nun mal auf Jack Kerouacs Spuren. Viel vom Land gesehen hat man allerdings nicht. Hier ein paar Tipps, wie man die kanadische Geografie (und den Verkehr) mit einplant:
a. mehr Zeit einkalkulieren, sobald man mehr als eine Region oder Provinz auf dem Schirm hat,
b. alle Entfernungen und Fahrzeiten gründlich auf Google Maps studieren,
c. ein paar Stunden extra einplanen, wenn man Ballungsräume wie Montréal, Toronto und Vancouver während der Rush Hour verlassen will,
c. auf Landkarten den Maßstab beachten. Mitteleuropäer vergessen das leicht!
d. und auch an Tempolimits, Fährfahrten, Gebirge, Fotostopps und Kaffeepausen denken!
Zum letzten Punkt lässt sich auch noch dies sagen. Entfernungen sind relativ. 1000 Kilometer auf dem Trans Canada Highway durch Manitoba und Saskatchewan sind schneller um als 500 auf kurvenreichen, zweispurigen Straßen durch British Columbia. Man sollte deshalb großzügig planen, den “current highway conditions” im Radio und im Netz folgen – und den Kaffee im Kaffeehalter nie ausgehen lassen .. :)
5. Alles eine Frage des Timing!
So ein Mist. Da steht man nun endlich am Lake Louise/Peyto Lake/ Moraine Lake, und nun ist das Wetter echt schietig, oder aber man kriegt kein Bein an die Erde! Aber keine Sorge. Es ist alles eine Frage des Timings, und ein bisschen Extraaufwand gehört auch dazu. “Things can happen, just wait a little!” Der das sagte, war Fotograf. Gemeinsam warteten wir am Moraine Lake auf gutes Licht. Während ich nur graue Regenwolken sah und die Hoffnung auf das klassische Postkartenbild vom meistfotografierten See der Rockies schon aufgegeben hatte, blieb der Fotograf dran. Und dann passierte es. Die Bustouristen war schon längst abgezogen und die Gäste der Moraine Lake Lodge saßen beim Nachtisch, als der Himmel über der Lodge einen kleinen Spalt öffnete und das letzte Licht des Tages durchließ. Der Sonnenstrahl wanderte über den See und blieb an den Wänden der Ten Peaks gegenüber eine ganze Weile hängen. Klasse! Das Warten hatte sich also gelohnt. Will sagen: Timing ist Trumpf. Fazit: Wer Lake Louise & Co. in aller Ruhe genießen und fotografieren will, sollte Frühstück und Abendessen vergessen und vor Sonnenaufgang mit Lunchbox und Thermoskanne aufbrechen.
6. Geht mal ein bisschen weiter!
Frustriert und abgenervt, praktische jede Sehenswürdigkeit am Icefields Parkway mit wahren Selfie-Stick-Armadas aus aller Welt teilen zu müssen? Auf jedem Parkplatz mit unerfahrenen WoMo-Skippern rechnen zu müssen und mit stur auf ihrern Reiseleiter wartenden Gruppen aus Fernost? In Kanadas Nationalparks gilt an an praktisch allen touristischen Brennpunkten diese Faustregel: Wer ein bicchen weiter geht als bis zum ersten Biberdamm, hat Mutter Natur bald (fast) für sich allein. Das gilt für den Trail zum Lagnes Tea House über dem Lake Louise ebenso wie für den Johnston Canyon Trail und den Uferweg am Moraine Lake.
7. Plan B
Was tun, wenn der Tag ins Wasser fällt und die Stimmung sich dem Nullpunkt nähert? Ich war auf meinen Reisen in Kanada schon oft an diesem Punkt und darf getrost dieses schreiben: nicht verzagen! Letzten Herbst in Jasper war das Wetter drei Tage lang so mies, dass ich nicht ein einziges Mal die Berge sah. Ideal also, um die Miette Hot Springs zu besuchen und den Frust in heißen Quellen zu ersäufen. Wo ich im Übrigen nette Bekanntschaft mit älteren Herren machte, die mir Schwänke aus ihrem langen Leben erzählten. Ähnlich erging es mir in St. Anthony in Nordneufundland. Dort war es an einem Junitag so nebelig, dass ich keinen einzigen der vorbei treibenden Eisberge sah. Ich beschloss deshalb, im Lightkeeper´s Seafood Restaurant hoch über der Hafeneinfahrt Wurzeln zu schlagen. Das Personal, supernett, wie Neufundländer eben so sind, adoptierte mich, und als ich mich spätabends in bester Stimmung verabschiedete, war ich nicht nur gut abgefüllt, sondern auch über den Klatsch und Tratsch im Nordzipfel von Newfieland bestens informiert. Fazit: Kanadier sind wunderbare Gastgeber und in Pubs, Cafés und Restaurants immer für ein Schwätzchen zu haben. Und wenn eine Kneipe mal nicht zur Hand ist, helfen Tequila und Gummibärchen. Wie auf der Kiesbank am Keele River in den Northwest Territories, wo ich zwei Tage lang unter eine Plane saß und Haribos kaute, bis der Regen aufhörte .. :)
9 Comments
Monika und Petar Fuchs
31. März 2017 at 13:33Den Tipp mit den Haribos merke ich mir für unsere nächste Kanada Tour. Die gehören bei uns zu Roadtrips einfach dazu. Eine grandiose Zusammenfassung, Ole.
Ole Helmhausen
1. April 2017 at 15:13Danke, Monika! Aber nur die Haribos. Alle anderen sind einfach kein Comfortfood .. ;)
Kathrin
1. April 2017 at 9:06Herrlich, da ist soviel Wahres dran! Und sehr unterhaltsam geschrieben. Vielleicht teste ich den März auch mal aus. Leere Straßen und wenig Touristen klingt sehr verlockend :-)
Ole Helmhausen
1. April 2017 at 15:15Wenn man nicht auf 30 Grad im Schatten und immer gutes Wetter besteht, ist der März in den Rockies sicher eine interessante Alternative!
Kim
1. April 2017 at 22:38Danke für diesen Artikel. Wunderbar geschrieben! Ab 1. Mai geht es für 18 Tage nach Kanada und stelle mich schon mal innerlich darauf ein, dass nicht alles so klappen wird, wie ich es gerne hätte. Ich bin sehr gespannt, wie es wird. Solange ich ein Dach über dem Kopf habe, ist alles erstmal in Ordnung.
Tobias
3. Mai 2017 at 14:06Danke dafür! Wunderbar geschrieben und viel, viel Wahres dran. Wir bekommen auch immer mal wieder Anfragen was man in Zeitraum X (meist 14 Tage) alles gesehen und gemacht haben muss. Auch wenn es „nur“ in BC ist und sich relativ fokussiert ums Thema MTB dreht. Trotzdem ist die Antwort eigentlich ganz einfach: Alles. Muss man dafür halt einfach nur öfter hinfahren. :)
Wally
22. März 2019 at 18:57kurz und knapp das Wichtigste beschrieben…wenn das doch mal alle lesen würde. Ich stelle leider fest, dass jeder immer nur einfach die Fragen in den Orbit schickt weil das ja so schön einfach ist. Aber der Weg ist das Ziel und dazu gehört auch die Vorbereitung. Ich freue mich immer über deine Fotos und Berichte…bitte weiter so
Ole Helmhausen
22. März 2019 at 20:01Danke, Wally!
Sanne
23. März 2019 at 16:36Lieber Ole,
Deine Tipps treffen den Nagel auf den Kopf! Genau so kann man Kanada am besten erleben. Wir hatten auch am Maligne Lake einen umgestürzten Baum auf der einzigen Straße und standen im strömenden Regen mit lauter Kanadiern im Stau. Wir haben Kekse und Kaffee getauscht und uns gefreut, dass niemand verletzt wurde:-)
Viele Grüße von Sanne