Kanadas Westen

Tranquille bei Kamloops in Britisch Columbia: Field of Dreams

Das Schöne an Kanada ist, dass es nicht aufhört, mich zu überraschen. Als ich vorgestern in Kamloops aus dem Flugzeug steige, schlagen mir 37 Grad Celsius ins Gesicht. Nun gibt es den Wetterbericht jederzeit online abrufbar, natürlich, aber wenn man einfach nicht mit so einer Hitze rechnet, schaut man auch nicht im Netz nach, um sich zu vergewissen .. :) Für die Geisterstadt Tranquille jedenfalls stilechtes Wetter!

TranquilleAutohaube
Die zweite Überraschung liegt nur ein paar Autominuten vom Flughafen entfernt. Leere, grasüberwachsene Straßen. Leere Plätze. Noch immer modern wirkende Bungalows mit zerbrochenen Fensterscheiben, eine pinkfarbene Feuerwehrstation im Art-déco-Stil, drei stillgelegte Krankenhäuser, Kantinen, Personalunterkünfte, eine große Farm mit Silo, verlassen auch sie. Tranquille heisst dieser Ort, wie das passt, und während ich durch diese filmreife Kullisse am breiten South Thompson River wandere, sehe ich Clint Eastwood lässig an einer abblätternden Hauswand lehnen ..

PinkFirehall

Das Management: Tim und Annette McLeod haben sich viel vorgenommen.

Tim Mcleod hat ein bisschen von Clint. Unrasiert, entschlossen und von kräftiger Statur, schaukelt er mich im Truck durch diese Geisterstadt. “Früher lebten hier 2000 Menschen”, sagt er und schaut einem Adler nach, der mit einem Fisch in den Klauen über uns landeinwärts schwebt. “Wir wollen Tranquille reanimieren.”

Geisterstadt Tranquille

Ein Haus renovieren ist eine Sache. Aber gleich eine ganze Stadt? Derzeit besteht Tranquille aus rund 40 Gebäuden. 1904 wurde hier ein Tuberkulose-Sanatorium eröffnet, in den 50er Jahren wurde daraus eine Nervenheilanstalt. Wenig machte die Regierung Tranquille zu. Die Bewohner zogen weg, der Ort verfiel.

TranquillePlatz

Tranquille: Wo ist Clint E.?

“Seitdem wir Tranquille für eine Gruppe von Investoren entwickeln und managen, stoßen meine Frau Annette und ich immer wieder auf neue historische Details”, sagt Tim. Im 19. Jahrhundert buddelten Abenteurer hier nach Gold. Raddampfer legten hier an, und es gab eine Dance Hall, an die sich die über 80-Jährigen der Gegend noch gut erinnern. “Wir haben inzwischen über 600 Personen gefunden, deren Lebensgeschichte mit Tranquille verknüpft ist. Sie helfen uns, die Stadt zu neuem Leben zu erwecken.”

Vision für Tranquille

Tim´s Bossen schwebt ein sich selbst versorgendes Farm-Städtchen vor. Die noch stehenden Gebäuden sollen restauriert und um neue Strukturen aus viel Glas und Holz und mit Bick auf den Fluss und die Berge ergänzt werden. Die von dem großen Silo überragte Farm soll das Herzstück bleiben. Wenn alles klappt, wird sie – wie einst – 2000 Mahlzeiten pro Tag liefern. “Urban agriculture” nennt Tim das. Sie soll Profit erwirtschaften und Arbeitsplätze bieten. Würde das die Leute interessieren? Tim ist sicher. “Wenn wir das Interesse an der Zahl der Anrufe und Besuche messen – aber ja!”

Tim und Annette McLeod: Das Ziel heisst „urban agriculture“.

Vorerst ist der von Tim und Annette eingerichtete Farmers´ Market die größte Attraktion von Tranquille. Gemüsefarmer aus der Umgebung bieten hier ihre organischen Produkte an. In den Scheunen haben Künstler ihre Workshops eingerichtet. Der Kamloops Vintage Car Club pflegt seine alten Schmuckstücke hier unterzustellen. Tim kutschiert Gäste persönlich über das 190 Hektar große Anwesen und erzählt die Geschichten, die er hier ständig ausgräbt. Erst neulich hat er wieder eine gehört: “Ein Goldgräber namens Paddy Dogsteader dreht hier noch bis in die 30er Jahre den Boden um. Ein paar alte Herrschaften von hier halfen ihm beim Goldwaschen und hörten, dass er sogar mit Buffalo Bill geritten sein soll .. “

Mehr Infos über Tranquille findet Ihr hier:

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2 Comments

  • Reply
    Manfred Huber
    4. Juli 2013 at 9:33

    Na da wünsche ich viele helfende Hände um die Stadt wieder in Schuss zu bringen.

  • Reply
    Barbara
    4. Juli 2013 at 9:54

    Vermutlich eine Geschichte von Tausenden…Auf meinen Reisen auf dem TCHW, wie auch in den nördl. staaten der USA, fand ich so viele verlassene, oft völlig verwaiste hübsche Orte mit noch immer ganz intakt anmutenden kleinen Häusern.
    Oft kleine Holzvillen , romatisch, in schäbig, blätterndem Anstrich, manche – immer noch- mit heimeligen Tüllgardinchen .
    Und auch noch die imponierenden, typischen Fronten alter Häuser aus Stein , so, wie wir sie aus alten Filmen kennen…mit den nicht gleich erkennbar eigentlich schon halb zerfallener Rückfronten an der Mainroad eines vergessenen Dorfes abseits des Highways.
    Und gerade diese Relikte einer anderen Zeit sind mit die Gründe, immer wieder Kanada und die USA zu bereisen!

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