No Tundra Buggies here! Mit dem Veranstalter Churchill Wild im kanadischen Manitoba geht es zu Fuß zu den Eisbären. Tolle Fotos sind garantiert. Adrenalinschübe auch.
Ort: Hudson Bay, Nanuk Polar Bear Lodge. Zeit: Anfang September. Dem Prep-Talk der beiden Bärenführer Andy und Butch zuzuhören, ist eine Sache. Bleibt dicht zusammen, ermahnen sie uns, dass nur keiner aus der Reihe. Den Eisbären keine Sekunde aus den Augen lassen. Achtet auf seine Körpersprache ..
Alles gut und schön.
Dann aber einem – oder mehreren – Eisbären auf Augenhöhe zu begegnen, ohne Wassergraben und Elektrozaun dazwischen, ist eine gänzliche andere. Schon als ich vem Allradtruck der Lodge auf den Strand der Hudson Bay hinunter klettere, kommen mir die ersten Bedenken. Selbst aus hundert Metern Entfernung sehen die beiden verdammt groß aus. Dabei zeigen mir die Bärin und ihr Nachwuchs nur Rücken. Der Rest wird von einer flachen Sanddüne verdeckt. Wir sind in der Übergangszone von Wattenmeer und borealem Nadelwald, in der für die Hudson Bay typischen, so flachen wie menschenleeren Endlosigkeit, wo Elche auf Karibus treffen und Schwarzbären auf Grizzlies und Wolfsrudel auf Streife sind.
Die Eisbären sind am spektakulärsten. Es sind bis zu drei Meter lange und durchschnittlich 5-600 kg schwere und selten fotogene Tiere. Im Frühsommer kommen sie hier an Land und verharren bis zum nächsten Winter in einer Art Winterschlaf, die “walking hibernation” genannt wird: Angesichts der knappen Nahrung sparen sie Energie, indem sie kurzfristig ihren Stoffwechsel herunterfahren und deshalb immer wieder mal ein kurzes Nickerchen einlegen.
Inhaltsverzeichnis
Eisbären, die Könige der Hudson Bay
Seit meiner Ankunft in der von einem hohen Rundumzaun geschützten Nanuk Polar Bear Lodge habe ich das bereits einige Male erlebt: Nachdem die Eisbären uns ausgiebig begutachtet hatten, machten sie es sich gemütlich und nickten ein. Einfach so. Unmittelbar vor dem Zaun, einen Meter von uns entfernt. Erst wenn es wieder kälter wird und die Hudson Bay zufriert, werden sie wieder munterer. Seehunde sind ihr Hauptnahrungsmittel, und bald sind die weißen Jäger einmal mehr im Packeis unterwegs.
Nun stehe ich also mit den anderen Reisejournalisten im Schlick und beobachte mit gemischten Gefühlen den weißen Flecken hinter der Düne. Mutter und Filius scheinen zu schlafen. “Ab jetzt den Mund halten und im Gänsemarsch laufen”, kommandiert Andy, “so wirken wir weniger bedrohlich.” Langsam setzen wir uns Bewegung. Irgendwann wacht der Kleine auf und schaut herüber. Sofort halten wir an und warten, Abstand: 60 Meter, eher weniger. “Neun Monate alt”, flüstert Andy, “passt auf, jetzt macht er die Mama wach!”
Hudson Bay: Pirsch auf Eisbären
In der Tat: Das Herumgerutsche des Kleinen auf dem Rücken der Mutter holt die Bärin ins Hier und Jetzt. Sie hebt den Kopf, reckt ihre schwarze Nase in die Höhe und nimmt Witterung auf. Der Wind verpetzt uns. Flugs dreht sie sich nach uns um. Wir halten den Atem an. und rühren uns nicht. Eine Weile mustert sie uns, dann verschwindet ihr mächtiger Kopf wieder hinter der Düne. Anscheinend sind wir weitere Mühen nicht wert. Mein Puls beruhigt sich wieder.
Sicherheit wird beim “Polar Bear Viewing” ganz, ganz groß geschrieben. Man nähert sich dem Eisbären auf maximal 50 Meter. Näher geht man nicht. Gleich am Abend der Ankunft in der Lodge referieren die Bärenführer ausführlich zum Thema. Dabei geht es nicht nur um das Verhalten der Bären, sondern auch um unseres. Eisbären, hat Andy betont, zeigen ihre Absichten durch Körpersprache, die uns, sofern richtig interpretiert, dabei hilft, potenziell gefährliche Konfrontationen von vornherein zu vermeiden. “Eisbären sind intelligent”, hat er auch noch gesagt, und das war ihm besonders wichtig. “Sie sind neugierig und verspielt und tolerieren es, wenn wir uns ihnen nähern.”
Allerdings gilt das nur, wenn sie keinen Nahrungsstress haben. Auch das lernen wir an diesem Tag an der Hudson Bay. Inzwischen haben wir die 50-Meter-Grenze erreicht. Die Bärin ist jetzt aufmerksamer und registriert jede unserer Bewegungen. Der Filius turnt auf ihrem Rücken herum. Ich fotografiere, was die Speicherkarte hergibt und vergesse fast, dass wir den größten Fleischfresser des Tierreichs vor uns haben. Die anderen übrigens auch. Sie rücken von Bärenführer Andy ab, um sich bessere Stellen zum Fotografieren zu sichern.
Begegnung mt Herzklopfen
Ob es das ist, was die Bärin neugierig auf uns macht? Uns nicht aus den Augen lassend, richtet sie sich auf. Erst jetzt erkenne ich, wie groß sie wirklich ist. Mir stockt der Atem. Hinter mir macht ein ehrfürchtiges “Wow” die Runde. Der Filius, offenbar ermutigt durch ihr Verhalten, hat nun beschlossen, uns näher zu untersuchen. Munter trabt er geradewegs auf uns zu. Noch 40, noch 35, noch 30 Meter, die alarmierte Mama dicht auf den Fersen.
Später erklärt mir der mitreisende Bärenexperte und Fotograf Matthias Breiter, wir hätten zu weit auseinander gestanden. Wären wir zusammengeblieben, hätten wir nur einen gemeinsam Schritt nach vorne zu machen brauchen, um die Bärin zu stoppen. Überdies habe diese Bärin auch keinen Hunger gehabt, sondern sei nur neugierig gewesen. So aber ist Andy nun gezwungen, die Initiative zu ergreifen, um jedes Restrisiko auszuschalten. Als die Bärin nur noch 25 Meter von uns entfernt ist, wirft er ihr einen Stein vor die Füße. Das beeindruckt sie nicht besonders. Sie riecht kurz daran, schaut über die Schulter nach ihrem Nachwuchs – und marschiert weiter auf uns zu. Bei 20 Metern wirft ihr Andy weitere Steine vor die Tatzen und am Ende einen dicken Ast hinter sie. Das zeigt die gewünschte Wirkung. Die Bärin dreht bei, um den Ast zu inspizieren, den Filius im Schlepptau. Wir ergreifen die Gelegenheit und ziehen uns langsam wieder zurück. Die beiden Bären sind noch immer mit dem Ast beschäftigt. Wir sind nicht mehr interessant. Als wir in den Truck klettern, haben sie sich schon wieder hinter die Düne verzogen.
Diese wunderbaren Geschöpfe auf Augenhöhe gesehen zu haben, wird mir ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Andy und Butch hatten für den Fall der Fälle zwar Gewehre und Bärenböller dabei. Doch am Ende waren sie nicht nötig. Die beste “Waffe” gegen eine unliebsame Konfrontation war genaues Beobachten, richtiges Einschätzen der Situation und Timing. Denn Bären mögen es nicht, wenn man ihnen zu dicht auf die Pelle rückt. Da sind sie ein wenig so wie wir Menschen.
Weitere Informationen über die Beobachtung von Eisbären an der Hudson Bay findet Ihr hier:
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- Churchill Wild: www.churchillwild.com
- Travel Manitoba (auf deutsch): www.travelmanitoba.com/de/
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2 Comments
Hans Freuler
19. September 2013 at 17:42Hallo Ole
Herzlichen Dank fuer deinen interessanten, spannenden und lehrreichen Bericht über die Eisbären.
Liebe Gruesse, Hans
Harry Schulz
19. September 2013 at 20:36Hi Ole. Deine Berichte und Bilder sind immer Super. Hoffe noch mehr von dir zu lesen und zu sehen. Danke.