In der Nacht des 4. September 1942 dringt unweit der neufundländischen Hauptstadt St. John`s das deutsche U-Boot U-513 in die Conception Bay ein. Auf dem Meeresboden vor der Steilküste von Bell Island erwarten Kapitän-Leutnant Rolf Rüggeberg und seine Männer den Tagesanbruch ..
Am nächsten Morgen steigt U-513 auf Periskoptiefe. Schnell macht Rüggeberg seine Ziele aus. Zwei alliierte Erzfrachter, die “S.S. Saganaga” und die “S.S. Lord Strathcona”, ankern dicht vor der Insel. Die “Saganaga” ist zuerst an der Reihe. Um 11.07 treffen sie zwei deutsche Torpedos mittschiffs. In weniger als 30 Sekunden geht der 5000-Tonnen-Frachter unter. 29 Mann der 48-köpfigen Besatzung kommen dabei ums Leben. Wenige Minuten später torpediert U-513 die “Lord Strathcona”. Auch dieser 7500-Tonnen-Frachter sinkt in kürzester Zeit, doch dieses Mal kann sich die Mannschaft rechtzeitig ans Ufer retten. Die neufundländischen Behörden reagieren mit der Befestigung der Hafenanlagen von Bell Island. Maschinengewehre und Scheinwerfer werden installiert, doch das hilft nicht. Zwei Monate später erlebt Bell Island den zweiten deutschen U-Boot-Angriff. Anfang November führt Kapitän-Leutnant Friedrich Wissmann U-518 in die Conception Bay. Dabei hält er sich, um der Entdeckung zu entgehen, nachts so dicht an den Steilküsten, dass die Besatzung, wie Crewmitglieder sich später erinnern, die Scheinwerfer der oben vorbeifahrenden Autos erkennt. Am Morgen des 2. November befiehlt Wissmann den Angriff auf drei vor Bell Island liegende Erzfrachter. Der erste Torpedo verfehlt sein Ziel und zerstört die Scotia Pier. Dann aber werden kurz nacheinander die “S.S. Rose Castle” und die “P.L.M. 27” versenkt. Dieses Mal kommen fast 40 Seeleute ums Leben. Natürlich nimmt die Bürgerwehr U-518 unter Feuer, doch das U-Boot entkommt.
Inhaltsverzeichnis
Der 2. Weltkrieg in Kanada: Kein Kriegstourismus in Neufundland
Rick Stanley schmunzelt. “Alles, was die damals getroffen haben, war eine Kuh!” Stanley, der eine Tauchbasis im nahen Conception Bay South führt, ist mit den alten U-Boot-Geschichten aufgewachsen. “Die Explosionen waren so laut, dass alle hier dachten, eine Invasion stehe bevor. Viele hatten Sonntagskleidung angelegt, um hoch erhobenen Hauptes in Gefangenschaft zu gehen.” Heute organisiert Stanley Tauchgänge in dieses faszinierende Kapitel der kanadisch-deutschen Geschichte. Die Wracks der vier Frachter liegen noch immer da, wo sie einst ihr Grab fanden, unberührt, ungestört. Sporttaucher aus aller Welt, sagt Stanley, bringe er nach unten, alle wollten die Zeugnisse des ersten und einzigen Angriffs von Hitler-Deutschland auf Nordamerika mit eigenen Augen sehen. Am liebsten sähe der umtriebige Stanley so viele Besucher auch über der Wasseroberfläche, denn die finanzielle Lage der Insel ist nicht allzu rosig. Touristen verirren sich nur selten hierher. Stanley ahnt, warum und seufzt. “Läge Bell Island in den USA, es würde ein Riesenzirkus veranstaltet. Die Insel wäre ein Touristenmagnet.”
Bell Island: Spürbare Geschichte
Tatsächlich erinnert auf der neun Mal dreieinhalb Kilometer großen Insel so gut wie nichts daran, dass dies der einzige Flecken auf dem Kontinent ist, wo Hitler-Deutschland einst Schaden anrichtete. Nur vor einem kleinen Laden, der Tiere aus Zement anbietet, weist ein Schildchen vielsagend auf eine “Seaman´s Memorial and Picnic Area” in Lance Cove hin. Auch die Abzweigung am Ende der Straße ist leicht zu übersehen. Am Fuß des Hügels, in einer Falte der Felsenküste, liegt auf einem schmalen Uferstreifen ein reizloser Trailerstellplatz mit Blick aufs Festland. Gleich daneben befindet sich das “Mahnmal für den Seemann”. Es besteht aus einem Fahnenmast, ein paar Tafeln mit Namenlisten und einem riesigen Anker. Draußen, nur einen Steinwurf vom Ufer entfernt, dümpeln weiße Bojen. Dort verursachten die deutschen Torpedos damals das Inferno, liegen heute die Wracks. Wer um die Geschichte dieses Ortes weiß, spürt seine Schwere. Wie es zugegangen sein mag damals, weiß man spätestens seit dem Film “Das Boot” nach dem Buch von Lothar-Günther Buchheim.
Wer nicht taucht, den fährt Rick Stanley gern im Schlauchboot um die von knapp 3000 Menschen bewohnte Insel herum. Die Steilküste von Bell Island, dunkel und verwittert, ist atemberaubend. 70 Meter hohe Klippen aus grau-braunem Schiefer, Seevogelkolonien und ein wildromantisch liegender Leuchtturm warten. Befragt nach dem Grund, warum kein einziges Schild an das historisch einzigartige Ereignis erinnert, kann Rick Stanley nur die Achseln zucken. “Man muss wie ein Insulaner denken. Auf Bell Island verfährt man sich nicht. Wer sein Ziel trotzdem nicht findet, klopft einfach irgendwo an und lässt sich den Weg erklären.”
Mine No. 2: Streifzug unter dem Atlantik
Ausgewiesen ist nur das No. 2 Mine and Museum. Es erinnert an den Grund, warum die deutschen U-Boote die gefährliche Überquerung des Atlantiks überhaupt auf sich nahmen. Denn unter der Insel lagerten damals die größten Erzvorkommen der Welt. In viele Hundert Meter langen, unterseeischen Schächten wurden von 1895 bis 1966 über 70 Millionen Tonnen abgebaut. Einer davon beginnt gleich unter dem kleinen Museum, das Führungen hinab in die feuchte Düsternis veranstaltet. Vor dem Krieg zählte Deutschland zu den größten Abnehmern. Nach Kriegsbeginn versiegte diese Quelle, und Bell Island geriet als Erzlieferant der Alliierten ins Fadenkreuz der deutschen Admiralität. Das Museum beschäftigt ein halbes Dutzend Insulaner. “Fünf Familien mehr, die auf der Insel bleiben können, anstatt auf dem Festland Arbeit zu suchen”, sagt Rick Stanley. Heute sind die meisten Schächte geflutet und unzugänglich. Zumindest trockenen Fußes. Stanley, der Bell Islands Zukunft im Tourismus sieht, brütet schon seit Langem über einer Idee. “Die unterseeischen Schächte könnten ein Weltklasse-Tauchrevier sein”, sagt er gern. Und seufzt. Sicher werden sie es irgendwann. Vermutlich eines, zu dem sich Taucher werden durchfragen müssen.
Unterwasser-Fotos: Rick Stanley
Weitere Informationen zum 2. Weltkrieg auf Bell Island (Neufundland) gibt es hier:
Bell Island: www.bellisland.net
Ocean Quest Adventure Resort: www.oceanquestadventures.com
Newfoundland and Labrador Tourism: www.newfoundlandlabrador.com
1 Comment
Planet Hibbel
23. Dezember 2013 at 21:13Spannend. So einen Tauchgnag könnte ich mir nie und nimmer vorstellen. Und das der Film das Boot da stattgefundet hat, war mir gar nicht bewusst. Hab die Tage auch noch einen Norwegen Post geschrieben, in dem die Blücher vorkam. Die wurde im Oslo-Fjord torpediert und über 800 Menschen starben dabei. Normalerweise verdränge ich solche geschichtlichen Wunden immer, aber das ging mir doch irgendwie nah, als ich quasi davor stand. LG, Nadine