Gastartikel

Manitoulin Island, Ontario: Bärenjagd mit Mr. Owl

Gibt es – mal abgesehen von der Pfalz, Rheinhessen und dem Moseltal –, auf Gottes weiter Welt ein Land, das im Herbst schöner unter der Sonne liegt als Kanada? Indian Summer in Ontario, auf Manitoulin Island! Strahlend blauer Himmel! Güldener Ahorn!

Da passt es wunderbar, dass man mit einem richtigen Kanadier verabredet ist, einem Mann der First Nations, einem kanadischen Indianer, der eine kleine Agentur hat, um Besuchern den Zauber seiner Heimat zu zeigen. „A little hiking“ hatte Mr. Owl am Telefon versprochen, ein bisschen Wandern wolle er, wunderbar. Und da ist er auch schon! Wie Winnetou sieht er aus, mit seinem perlenbestickten Wildlederwams und der geschulterten Flinte. Ein Händedruck, eine knappe Begrüßung, und schon laufen wir los, vom Parkplatz Richtung Wald. Scheint einiges vorzuhaben, der Mr. Owl.

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Mr. Owl, oder Matthew Owl, noch ohne Wildlederwans, dafür aber beim Auftanken seines Quads.

Wie auf Schienen durch den Busch

Fragen kann man ihn das leider vorerst nicht, weil er ein ziemliches Tempo vorlegt. Gerade eben waren wir noch auf einem Wanderweg, aber jetzt schlagen wir uns im Zickzackkurs durchs kanadische Gehölz. Mr. Owl läuft voran, und ich keuche hinter ihm her. Irgendwann stehen wir am Rand eines Sumpfes. An einer Stelle ist das Schilf niedergedrückt, und Mr. Owl sagt: „Okay.“ Wieso Okay? Was machen wir hier? Warum wandern wir nicht auf einem Weg? Weil Bären nicht auf Wegen bleiben, sagt Mr. Owl.

Und dann sagt er noch, dass wir ganz nah dran sind an einer Bärenmutter mit ihren beiden Jungen. Und dass die Bärin uns möglicherweise nicht mögen wird. Jeder, der jemals in seinem Leben einen Tierfilm gesehen hat, weiß: Das hier ist eine ganz dumme Idee. Mr. Owl scheint keinen Fernseher zu haben. Er nimmt die Flinte von der Schulter. Dann stürzt er wieder los. Und ich renne hinterher.

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Drei von fünf (oder sechs) jungen Füchse verfolgten von ihrem Holzstoß aus die beiden Bärensucher.

Bucheckern und Eicheln, oder das ABC des Spurenlesens

Was denn auch sonst bitteschön? Allein zurück zum Parkplatz gehen, von dem man nicht weiß, wo er ist? Orientierungslos in Ontarios Wäldern herum irren? Dann lieber weiter mit Mr. Owl. Der beschließt, dass die Bären beschlossen haben, Eicheln zu fressen, und tatsächlich: Überall liegen angeknabberte Eicheln und Bucheckern herum. Und das, was aus Bären herauskommt, wenn sie viel, sehr viel davon gefressen haben. „Okay“, sagt Mr. Owl: Sind keine drei Bären, ist nur einer.

Wir machen dann erst einmal Picknick. Mr. Owl hat Nudelsalat mitbrachte, Lachs, frisches Brot und eine Flasche Wein aus seiner Heimat, einen ganz formidablen Pinot Noir von der Niagara Peninsula. Die könnte man jetzt wunderbar in Ruhe austrinken und dabei in die Landschaft schauen, aber das geht leider nicht: Wir müssen weiter. Wir jagen ja einen Bären.

Einmal sind wir ganz nah dran, das hat Mr. Owl an einem abgeknickten Ast gesehen oder an einem umgedrehten Kieselchen, was weiß ich. Mr. Owl schaut da zum ersten Mal ziemlich ernst und sagt, dass ich mich keinesfalls bewegen dürfe, falls der sehr große Bär plötzlich aus dem Unterholz breche: „Ich regle das dann schon.“

Er kommt dann aber doch nicht, der Bär. Stattdessen ist er um den Berg herum gelaufen, vor dem wir jetzt stehen, sagt Mr. Owl. Und deswegen laufen wir jetzt einfach über diesen Berg, kraxeln, schnaufen und stolpern, um ihm auf der anderen Seite den Weg abzuschneiden. Wir haben den Wind im Gesicht, wir sind relativ leise, anders gesagt: Wir verhalten uns so, wie man sich in kanadischen Wäldern auf keinen Fall verhalten sollte.

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Da ist er dann also, der Bär, der schwarze. Mit uns hält er sich nicht lange auf, er hat ja wichtigeres zu tun.

Aug´ in Aug´ mit Ursus americanus

Eine Stunde später schnaubt es vor uns, und dann bricht das Gebüsch auseinander, und dann ist da ein Bär. Er schaut uns ziemlich verdattert an, als wolle er so etwas wie „Wo zum Teufel kommt ihr denn her?“ sagen.

Dann schnaubt er verächtlich und verschwindet im Gebüsch. „Okay“, sagt Mr. Owl, der mir einfach nur einen Bären zeigen wollte, schließlich erwartet man das von einem Mann der First Nations. Und jetzt? Mr. Owl hat noch einen Anschlusstermin. „Ich gehe noch ein paar Elche rufen.“ Hoffentlich muss niemand mitkommen.

 

Weitere Informationen zu Manitoulin Island in Ontario

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