Bjorn Troch, 36, reist seit viereinhalb um die Welt. Dabei verzichtet er bewusst auf Reiseführer und Internetrecherche. Stattdessen folgt er den Tipps und Empfehlungen seiner Social Media Follower. Davon hat er inzwischen jede Menge, insgesamt verzeichneten seine Social-Media-Kanäle im August 2014 fast 700 000 Page Impressions. Seine Follower geben ihm nicht nur Reisetipps, sondern laden ihn auch zu sich nach Hause ein, helfen ihm tatkräftig weiter, vermitteln ihm Jobs und stellen ihm Aufgaben, die ihm unterwegs wiederum als Türöffner dienen. “The Social Traveler” nennt Troch sein Langzeit-Projekt, und dabei klebt er nicht simsend und postend am Smartphone, sondern nimmt Social Media wortwörtlich. Derzeit durchquert er Kanada von Newfoundland nach Yukon. Seine Aufgabe: das Gitarren-ABC erlernen und als Straßenmusiker das Spritgeld für seinen alten Westfalia-Camper verdienen.
Inhaltsverzeichnis
Ich traf Bjorn in Montréal und später auch in Newfoundland. Anfangs habe ich nicht wirklich kapiert, was er macht und was ihn antreibt. Ich gebe auch gerne zu, dass ich zunächst skeptisch war: Wieder einer dieser Blogger, die Werbebudgets abgreifen, ohne wirklich Content zu liefern? Doch je mehr ich über sein Projekt nachdachte, desto mehr beeindruckte es mich. In diesem Interview erklärte mir Bjorn, wie The Social Traveler funktioniert und was er unterwegs erlebt und lernt. Und am Ende dachte ich: Der Mann nutzt moderne Kommunikationstechnik als Tools und reist zugleich wie der Mensch vor 200 Jahren. Auch dieser war erstens ohne Reiseführer unterwegs, wusste zweitens nie, was ihn am Zielort geschweige denn am nächsten Tag erwartet, musste sich drittens auf Hilfe und Rat von Fremden verlassen und begegnete viertens ebenfalls so vielen Menschen, dass seine Reise selten geradewegs von A nach B führte.
Eine verkürzte Version dieses Interviews erschien am 19.9. 2014 bei Spiegel Online:
Derzeit (Mitte Oktober, 2014) ist Bjorn in Ontario. Folgt ihm über seine Kontakte im Anschluss an dieses Interview.
Frage: Hallo Bjorn, wo bist Du gerade?
Bjorn: Auf Cape Breton Island in Nova Scotia. Nach Besuchen in Calgary und Montréal habe ich Anfang August meine Kanadatour offiziell in St. John´s, der Hauptstadt von Newfoundland & Labrador, begonnen.
Frage: Wie ist es inzwischen um Dein Gitarrespiel bestellt?
Bjorn (lacht): Ich lerne jeden Tag neue Griffe und kriege auch schon ein paar Lieder auf die Reihe. Ich bekomme Unterricht von Leuten, die ich unterwegs treffe, und jeder spielt und interpretiert einen Song anders. Ich habe nie zuvor ein Instrument gespielt, insofern ist das eine ganz schöne Herausforderung.
Frage: Du bist ohne Planungshilfen wie Travel-Apps und Reiseführer unterwegs. Damit unterscheidest Du Dich von 90 Prozent der übrigen Reisenden. Warum planst Du diese Reise nicht?
Bjorn: Ich habe schnell gelernt, dass nicht viel Zwischenmenschliches passiert, wenn ich strikt nach Plan reise. Beispielsweise habe ich in Calgary eine junge Frau getroffen, die Freunde in Newfoundland hat. Als ich dort ankam, haben diese Kontakt zu mir aufgenommen und mich prompt zu einem Ruderbootrennen mitgenommen. In St. John´s empfahl mir jemand Erin´s Pub, einen Treff der dortigen Musikszene. Usw. usf. Ich folge solchen Empfehlungen und schaue dann, was passiert. Beispielsweise traf ich im Erin´s jemanden, der mich spontan zu einem Folkfestival mitnahm, und dort wiederum traf ich jemanden, der ein Kajak besaß und mich zur Walbeobachtung in Trinity einlud. Das alles sind Zufallsbegegnungen, doch es gibt auch eine Konstante: Die Leute geben Dir mit beiden Händen, sie tun alles, damit Du eine gute Zeit hast.
Frage: Wie bist Du auf diese Idee gekommen? Daheim hattest Du doch einen guten Job!
Bjorn: Ja, ich war bei einem großen sozialen Netzwerk fest angestellt. Dort erlebte ich schon früh, wie Social Media die Menschen immer mehr miteinander vernetzte. Später arbeitete ich als Social Media Consultant. Irgendwann beschloss ich, Social Media und Reisen miteinander zu verbinden. Es ist ja das erste Mal überhaupt, dass weltweit so viele Menschen miteinander Kontakt haben. Ich beschloss, über Social Media auf Menschen zuzugehen und zu sehen, was passiert. Und ich bat die Leute, mir Aufgaben zu stellen.
Frage: Empfandest Du es als Notwendigkeit, die Social Media sozialer zu machen?
Bjorn: Wenn man so will, ja. Der Begriff “Freund” auf Facebook ist doch unglücklich gewählt. “Bekannter” wäre korrekter. Es ist doch so: Die Leute sind zwar täglich viele Stunden auf ihren Social-Media-Kanälen unterwegs, doch echte Interaktionen finden kaum statt. Ich dagegen benutze Social Media als Tool, um fremde Menschen zu erreichen und, wenn möglich, auch zu treffen. Meine Erfahrungen mit diesem Langzeitprojekt “The Social Traveler” zeigen mir, dass dies nicht nur möglich ist, sondern auch immer wieder zu wunderbaren Begegnungen führt. Dabei verläuft jede Begegnung anders. Menschen haben so viel zu bieten, eine Mahlzeit daheim, eine schöne Unterhaltung, einen Blick in ihren Alltag. Ohne solche richtigen Begegnungen vergessen Facebook-Freunde einen schnell, und das ist schade.
Frage: Wie finanzierst Du Deine Trips?
Bjorn: Meine Community ist im Laufe dieser viereinhalb Jahre so stark gewachsen und so aktiv und vernetzt, dass sich Unternehmen, Tourismusministerien und -marketingorganisationen bei mir einklinken. Sie werden “Freunde” und nehmen an “Unterhaltungen” teil. Beispielsweise hörte der Gitarrenbauer Gibson von meiner Gitarren-Challenge, stellte mir eine Gitarre zur Verfügung und führte mich in seine 7-Millionen-Mitglieder Community ein. Das kanadische Tourismusministerium und verschiedene kanadische Provinzen unterstützen mich ebenfalls.
Frage: Das klingt alles relativ problemlos. Ist Deine Art Art zu reisen wirklich so einfach?
Bjorn: Manchmal liegt der Teufel im Detail. Ich hatte beispielsweise nicht mit Problemen beim Anmelden meines alten Westfalia Campers, den ich in Montréal fand, gerechnet. Weil ich ihn in Kanada und später in den USA fahre und dazu Ausländer bin, wimmelten mich die kanadischen Versicherungen zunächst ab. Dann machte mich ein Facebook-Freund, den ich vier Jahre zuvor in Thailand kennengelernt hatte, auf eine Art Verbraucherschutzverein aufmerksam. Diesem legte ich eine Liste mit fünf Versicherungen vor, die mich abgelehnt hatten. Damit hatte der Verein eine rechtliche Handhabe, um eine Versicherung für mich durchzudrücken. Die Suche nach dem Camper, der Kauf, die Versicherung – das alles geschah in kurzer Zeit, und ohne das es irgendwie durchgeplant war. Eines führte zum anderen, und zwar mit Hilfe meiner Social-Media-Netzwerke, über die ich hilfsbereite und fachkundige Einheimische fand.
Frage: Verlangt es eine besondere Art von Traveller, um so zu reisen, wie Du es tust? Oder könnte das jeder?
Bjorn: Du musst Dich schon seelisch darauf vorbereiten. Du musst Stereotype killen. Du musst offen sein. Wenn Du das bist, fangen die Leute schnell an mit Dir zu reden. Mir passiert das immer wieder. Tatsächlich wollen Menschen immer andere Menschen kennenlernen. Wenn Du Deinem Bauchgefühl vertraust, liegst Du selten daneben. Und wenn sich eine Begegnung merkwürdig anfühlst, drehst Du Dich einfach um und gehst. Es geht wirklich nur darum, Hallo zu sagen und dabei nicht irgendwelche Stereotype im Kopf zu haben. Ich selbst habe sie noch immer, und ich versuche, sie zu bekämpfen. Wir alle haben unterschiedliche kulturelle Wurzeln, und das bestimmt unsere Denk- und Sichtweise.
Frage: Was haben die Menschen Deinen Erfahrungen nach denn miteinander gemeinsam?
Bjorn: Wir suchen doch alle irgendwie Anschluss. Wir suchen nach Bestätigung durch die Menschen um uns herum, wir finden Freude an dem, was wir tun, wir suchen nach den schönen Dingen im Leben. Das ist doch universal. Man muss nur offen dafür sein. Respektiere die Leute, mit denen Du sprichst. Dränge Dich ihnen nicht auf und sei dankbar für alles, was Du bekommst. Ich habe auf harten Couches, weichen Betten und auf Fußböden geschlafen, und ich bin dankbar für alle Tipps, weil ich weiß, dass sie von Herzen kommen und gut gemeint sind. Das ist etwas, was Respekt verdient. Und dann geht alles von selbst. Werte nicht. Wenn Du jemanden respektierst, wird auch er Dich respektvoll behandeln.
Frage: Was sind für Dich die größten Lektionen des Social-Traveler-Projektes?
Bjorn: Ich lasse mich nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen, weil ich mit allem um mich herum zufrieden bin. Ich schwimme mit dem Strom, I go with the flow. Ich mache mir keine Sorgen, wenn es einmal keine Unterkunft gibt. Solange Menschen um mich herum sind, die ich fragen kann, gibt es keine Probleme. Man muss nur bereit sein, immer wieder seine Komfortzone zu verlassen. Das ist es, was mich während dieses Projekts geprägt hat. Sich auf Fremde zu verlassen, sich anzuvertrauen. Ein Smartphone gibt Dir nur Informationen. Ein Mensch aus Fleisch und Blut aber schenkt Dir außerdem Erfahrungen und Erinnerungen. Online Connectivity ist nicht genug. Man muss Dinge einfach gemeinsam erleben. Nur so ist das Leben wirklich lebenswert.
Frage: Wie reagieren die Leute, wenn sie von Deinem Projekt hören?
Bjorn: Sie sind begeistert! Sie stellen mich ihren Freunden und Familien vor und sie finden es toll, dass sich jemand für ihren Alltag interessiert. Na klar gibt es auch weniger angenehme Zeitgenossen. Gute Menschen überwiegen aber, und darauf basieren meine Lebensentscheidungen.
Frage: Wie findest Du Kanada bis jetzt?
Bjorn: Kanada ist klasse! Die Menschen hier sind fantastisch. Sie sind hilfsbereit und zu Recht stolz auf ihr Land. Die kulturelle Vielfalt hier ist beeindruckend, das Gemeinschaftsgefühl stark ausgeprägt. In St. John´s und Cape Breton Island in Nova Scotia gibt es Livemusik praktisch an allen Ecken. Wenn Du hier in eine Kneipe gehst, triffst Du Menschen aller Altersgruppen, die einfach Spaß miteinander haben, und zwar ohne Hintergedanken. Hier auf Cape Breton geriet ich in eine nächtliche Segler-Parade, für die alle Skipper ihre Boote mit Laternen geschmückt hatten. Anschließend ging es zur Jam Session in den nächsten Pub!
Frage: Glaubst Du, dass Dein Camper die 9000 Kilometer in den Yukon durchhält?
Bjorn (lacht): Nein! Aber das ist schon o.k. Ich sehe das so: Eine Autopanne ist eine Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen. Seitdem ich mit dem Tandem in Südostasien unterwegs war, weiß ich dies: Die besten Geschichten passieren, wenn etwas nicht funktioniert!
Wo in Kanada ist Bjorn gerade? Begleitet ihn, fragt ihn nach seinen Abenteuern! Mehr Informationen über Bjorn Troch aka The Social Traveler findet Ihr hier:
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